Prof. Dr. Pyta im Interview

Projekt: Wehrhafte Demokratie. Demokratische Gesellschaft und totalitäre Herausforderung

Univ.-Prof. Dr. Wolfram Pyta

Herr Professor Pyta, zusammen mit zwei Kollegen aus der Germanistik und der Politikwissenschaft führen Sie derzeit ein Projekt durch, das den Titel „Demokratische Gesellschaft und totalitäre Herausforderung“ trägt und im als Wissenstransfers Projekt an der Universität Stuttgart gefördert wird. Was hat Sie als Historiker dazu bewogen, dieses Projekt anzuschieben? 

Nun, wir müssen ja ganz einen gravierenden Wandel in der politischen Kultur der Bundesrepublik feststellen. Wenn 24 Prozent der Befragten im sogenannten „Demokratie-Monitoring“ die Ansicht vertreten, dass „die regierenden Parteien das Volk betrügen“, und 25 Prozent die Aussage unterstützen: „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten dahinterstehender Mächte“, “, dann belegt dies eindrücklich, wie stark das Vertrauen in die demokratische Ordnung bei einem nicht geringen Teil der Menschen erodiert ist. Es muss uns beunruhigen, wenn bestimmte Narrative, die auch und gerade von der Neuen Rechten lanciert werden – beispielsweise die plakative Gegenüberstellung von „korrupten Eliten“ und „gesundem Volkswillen“ –, bereits in den politischen Diskurs eingespeist werden. Als Wissenschaftler sehe ich mich hier in der Pflicht. Es ist wichtig, die vielfach schweigende Mehrheit derjenigen, die die demokratische Ordnung unterstützen, zur aktiven intellektuellen Auseinandersetzung mit den Gefährdungen und den Gefährdern der Demokratie ertüchtigen. Dazu kann die Geschichtswissenschaft – aber eben auch die Literaturwissenschaft und die Politikwissenschaft – Wesentliches beitragen. Dass die Universität Stuttgart diese Initiative fördert, bestärkt uns in unserem Vorhaben.

Eine zentrale Kompetenz, die Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft und Politikwissenschaft verbindet, ist die „Arbeit am Begriff“, das Dechiffrieren politisch relevanter Leitvokabeln. Warum räumen Sie dieser Dimension Ihrer Arbeit eine besondere Bedeutung zu?

Sprache erschließt unsere Welt, die begriffsgeschichtliche Arbeit ist daher grundlegend; sie betrifft im Übrigen auch den Begriff der „wehrhaften Demokratie“ selbst, der eine äußerst interessante Geschichte hat. Wir hoffen, diejenigen, die in politischer Hinsicht labil und desorientiert sind, mit einem robusten forschungsgenerierten Wissen zu den Strategien und Narrativen der Neuen Rechten auszustatten. So können wir uns befähigen, den ideologischen Umcodierungen reflektiert und kritisch zu begegnen. Diese Kompetenzen sind nicht für unsere Studierenden entscheidend, sondern für Bürgerinnen und Bürger insgesamt. In diese Sinne leistet das Projekt in einem klassischen Sinne Aufklärung und diese beginnt in der Tat mit der Analyse von Begriffen.

Ihr Projekt verbleibt nicht innerhalb der Universität; der Wissenstransfer erfolgt auch ganz praktisch hinein in die Stadt. Was genau planen Sie? 

In der Tat, der Schritt in die Gesellschaft ist natürlich entscheidend. Neben einem gemeinsamen Lehrprojekt mit Studierenden werden wir daher öffentliche Veranstaltungen durchführen, für die wir herausragende Persönlichkeiten und Wissenschaftler gewinnen konnten, Andrea Römmele von der Hertie School of Governance, die Schriftstellerin Nora Bossong, den Politikwissenschaftler Philip Manow, den Rechtswissenschaftler Maximilian Steinbeis. Im Sommersemester folgen weitere wichtige Stimmen der demokratiepolitischen Debatte. Außerdem gehört auch die Arbeit mit Jugendlichen zu unserem Projekt. Dazu arbeiten wir mit dem Jugendhaus Mitte zusammen, und natürlich sind wir auf verschiedenen digitalen Kanälen aktiv.

Wie ist bisher die Resonanz auf Ihr Projekt?

Die Resonanz ist enorm. Für die Veranstaltung im Rahmen unseres Lehrprojekts mussten wir nun einen viel größeren Raum organisieren, weil das studentische Interesse viel größer war als wir erwarteten. Unser Eindruck ist, dass die Frage nach der Zukunft unserer Demokratie viele Menschen umtreibt, an den Universitäten, aber eben auch in der Gesellschaft insgesamt.

Presseanfragen zum Projekt bitte direkt an Herrn Prof. Dr. Wolfram Pyta.

Das Projekt "Demokratische Gesellschaft und totalitäre Herausforderung" wird von Prof. Dr. Wolfram Pyta geleitet und in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Torsten Hoffman und Prof. Dr. Felix Heidenreich durchgeführt. Die Förderung durch die Universität Stuttgart erfolgt als Wissenstransferprojekt.

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