Time: | May 29, 2018, 8:00 p.m. (CEST) |
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Venue: | Universitätsbibliothek Stuttgart, Holzgartenstr. 16 |
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L’Infinito (Die Unendlichkeit), 1819 von Giacomo Leopardi im Alter von 21 Jahren verfasst, gilt als das liebste Gedicht der Italiener. Dieser einzigartige poetische Text steht im Mittelpunkt der kurzen Tagung, die sich vorgenommen hat, das Interesse für den Dichter und Philosophen Leopardi in Deutschland lebendig zu erhalten und neu zu wecken. 200 Jahre nach der Veröffentlichung des poetischen Meisterwerks soll die Figur und das Werk Giacomo Leopardis sowie seine Rezeption in Deutschland genau beleuchtet werden. Leopardi, Vordenker des 20. Jahrhunderts, ist jener Dichter, der als ein bedeutender Mittler zwischen den Kulturen angesehen werden kann.
Referenten: Prof. Dr. Barbara Kuhn (Vorsitzende Leopardi-Gesellschaft), Dr. Franca Janowski (Universität Stuttgart), Davide Rondoni (Dichter)
Eine Veranstaltung des Italienischen Kulturinstituts Stuttgart, des Italienzentrums am IZKT der Universität Stuttgart und des CeSMa Rom in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Stuttgart.
Vorträge:
18.00 Uhr
Davide Rondoni (Rom): Commento all'Infinito
Mit seinem „Commento" möchte der Dichter Davide Rondoni versuchen, in die menschliche Dimension des Infinito einzudringen, ja das Gedicht erfahren zu lassen. Poesie hängt mit Körperlichkeit zusammen, sie ist wie ein tanzender Leib. Welchen Preis fordert die Kunst im Leben eines Menschen? Wie hoch war der Preis an Leid und Kraft, den der junge Leopardi für sein Werk zahlen musste? Rondoni vertraut der „immaginazione attiva". Erinnerungen und Bewegungen, Bilder und Präsenzen erscheinen ohne bewusste Wirkung vor unseren Augen. Das Leben hat einen sound, einen Rhythmus, ein Lied.
Die punktuelle Interpretation Rondonis soll das Staunen über die Schönheit und die Tiefe des bekannten Gedichts erwecken.
18.45 Uhr
Franca Janowski (Stuttgart): Zwiesprache der Unendlichkeit: Leopardi und Rilke - eine Begegnung
Leopardis Infinito ist stets erneut ins Deutsche übertragen worden. Die bemerkenswerte Version von Rainer Maria Rilke von 1912 gibt Anlass, über die Kunst der Übersetzung von Dichtung nachzusinnen. Ist der Versuch, eine Sprache zu finden, die Form und Geist, Melodie und Sinn des Originals bewahrt, zum Scheitern verurteilt? Ist solch ein Versuch der Übertragung, die zwischen stilistischer Empathie und Aneignung eine Balance sucht, nicht vielmehr ein kreativer Akt?
Das Unendliche zu erfassen ist nicht möglich; aber den Dichtern gelingt es, diese Dimension der Wahrnehmung durch metaphorische Figuren, als sinnliche Erfahrung von Leben und Tod poetisch auszudrücken. Obwohl Rilke und Leopardi in ihren philosophischen Grundüberzeugungen einander fern sind, begegnen sie sich in der Kunst, um spekulative und poetische Momente zu verschmelzen. Rilke hat die Grundsituation des Infinito nacherlebt. Zwei Orte: Recanati im Frühjahr-Herbst 1819 und Duino im Winter 1912-13 spiegeln die geistige Verwandtschaft zwischen zwei „poeti pensanti", die jede sprachliche und zeitliche Grenze überwindet.
19.30 Uhr
Barbara Kuhn (Eichstätt): Tutt’i tedeschi sono scomparsi (De Sanctis) – Anmerkungen zu Leopardis paradoxer Präsenz in deutschen Landen
Schon De Sanctis mußte bei seiner in der Schweiz gehaltenen Vorlesung feststellen, dass diesseits der Alpen zwar für Petrarca großes Interesse bestand, für Leopardi, den offenbar niemand kannte, hingegen nicht, obwohl er seinen Hörern durchaus hätte näherstehen können. Schließlich wurde nicht nur Leopardis Name außerhalb Italiens erstmalig in Deutschland erwähnt; auch seine Texte wurden schon sehr früh und werden bis in die Gegenwart immer wieder ins Deutsche übersetzt. Dennoch ist bis heute das Werk im deutschen Sprachraum, gemessen an seiner Bekanntheit und Bedeutung in Italien, vergleichsweise wenig präsent, wenn nicht gar für viele nahezu inexistent. Um solcher Absenz wenigstens in kleinem Maßstab ein wenig abzuhelfen, wird der Vortrag sowohl der Rezeption und Nicht-Rezeption Leopardis im deutschen Sprachraum nachgehen als auch anhand in den letzten Jahren entstandener Übersetzungen von und Auseinandersetzungen mit Leopardis Werk versuchen, der Präsenz Leopardis hierzulande etwas größeren Raum zu verschaffen – wohl wissend, daß auch hier gilt: „e il naufragar m’è dolce in questo mare" oder, in Felix Philipp Ingolds Version des Infinito: „in diesem Meer zu kentern, denk ich, ist das Glück."